Klimaschutzkonzept 2030 um fachspezifische Informationen ergänzen
Antrag
Die CDU-Gemeinderatsfraktion Karlsruhe beantragt:
Das Klimaschutzkonzept wird ergänzt um Angaben zu den CO2-Vermeidungskosten und zur Kapitalrückflusszeit/Wirtschaftlichkeit einer jeden Maßnahme.
Sachverhalt/Begründung
Bereits anlässlich der Beratungen des Klimaschutzkonzeptes 2030 im Frühjahr 2020 hatte die CDU-Fraktion ihre Unterstützung für das Klimaschutzkonzept gezeigt. Sie hatte aber zugleich große Zweifel an der Finanzierbarkeit des Konzepts bekundet. Nach wie vor ist die Fraktion der Ansicht, dass die für das Konzept bis zum Zielhorizont 2030 veranschlagten Kosten von knapp einer halben Milliarde Euro nicht aufbringbar sind.
Diese Zweifel haben sich durch die Ereignisse der vergangenen Monate noch erhärtet. Die Corona-Pandemie stellt die Stadt vor erhebliche Einnahmeausfälle in mehrstelliger Millionenhöhe. Es drohen drastische Einschnitte in der Finanzierung öffentlicher Aufgaben. Der kommunalen Projektförderung stehen eventuell tiefe Einschnitte bevor.
Angesichts der katastrophalen Haushaltslage ist Sorgfalt walten zu lassen, dass jeder Euro für das Klimaschutzkonzept mit der größtmöglichen Effizienz ausgegeben wird. Ökologie und Ökonomie müssen nach bestem Wissen miteinander vereint werden. Nur auf diese Weise lässt sich langfristig die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen bewahren.
Die CDU-Fraktion beantragt daher, das Klimaschutzkonzept um die Angaben zu den CO2-Vermeidungskosten und zur Kapitalrückflusszeit/Wirtschaftlichkeit einer jeden Maßnahme zu ergänzen.
Die CO2-Vermeidungskosten geben Auskunft über die Höhe der notwendigen Finanzmittel zur Vermeidung einer Tonne CO2 pro jeweiliger Maßnahme (spezifische CO2-Vermeidungskosten).
Die Kapitalrückflusszeit/Wirtschaftlichkeit gibt an, nach welcher Zeit sich die Ausgaben für eine Klimaschutzmaßnahme durch die dadurch gewonnenen finanziellen Einsparungen amortisiert haben.
Entsprechende Angaben sieht die CDU-Fraktion als Voraussetzung, damit der Gemeinderat bei den anstehenden Haushaltsberatungen abwägen kann, wie mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln das beste Ergebnis für den Klimaschutz erzielt wird. Mit diesen Kriterien wäre zum Beispiel der weitere Ausbau des Fernwärmenetztes (Ziffer A 2.1 des Karlsruher Klimaschutzkonzeptes) als deutlich effizienter zu bewerten als etwa die Nutzung der Tiefengeothermie (Ziffer A 2.4). Die industrielle Abwärmenutzung und der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Ziffern A 3.5 und A 3.6) wären als effizienter einzustufen als beispielsweise die Abwasser-Wärmenutzung (Ziffer A 3.4).
Am deutlichsten wird die Sinnhaftigkeit der Bewertung der Maßnahmen des Klimaschutzkonzepts auf Basis der CO2-Vermeidungskosten am Beispiel folgender vier Maßnahmen:
Tabelle: CO2-Vermeidungskosten im Vergleich
Angaben übernommen aus Anlage 5 des Karlsruher Klimaschutzkonzeptes, neu hinzugefügt sind die Angaben zu den CO2-Vermeidungskosten
Ziffer | Maßnahme | Zusätzliches Personal [€/a]
|
Zusätzliche Finanzierungs-mittel
[€/a] |
Gesamt [€/a] |
CO2-Einsparung 2030 [t/a] | CO2-Vermeidungs-kosten
[€/t CO2] |
E 1.6 | Komplette Umstellung der Straßen-beleuchtung auf LED |
– |
420.000,- |
420.000,- |
650 |
646,- |
E 1.2 | Langfristiges Sanierungskonzept für städtische Gebäude1 |
1.245.000,- |
21.600.000,- |
22.845.000,- |
30.000 |
761,- |
E 1.3 | Ausbau Photovoltaik auf städtischen Gebäuden |
83.000,- |
1.500.000,- |
1.583.000,- |
1.100 |
1.439,- |
E 1.4 | E-Strategie städtischer Fuhrpark |
– |
3.500.00,- |
3.500.000,- |
˂ 1.000 |
> 3.500,- |
1 Bei dem Sanierungskonzept für städtische Gebäude (Ziffer E 1.2) wäre ohnehin zu prüfen, ob dafür zusätzliche 15 Personalstellen (1.245.000,- €/a) geschaffen werden sollen oder ob diese Leistungen preiswerter durch externe (Ingenieur-)Dienstleister erbracht werden können.
Es zeigt sich, dass die CO2-Vermeidungskosten bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED am geringsten sind. Mit Blick auf die Kohlenstoffdioxidreduktion wird zudem deutlich, dass die CO2-Einsparung pro investiertem Euro bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED 2,5- bis 5,5-mal höher ist als bei dem Ausbau der Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden oder bei der Verfolgung der E-Strategie für den städtischen Fuhrpark. Die Umstellung auf LED weist im Vergleich die höchste Wirtschaftlichkeit vor. Für eine wirtschaftliche Umweltpolitik sollte folglich die Umstellung auf LED-Beleuchtung Vorrang haben vor den anderen aufgeführten Maßnahmen.
Die Sanierung der städtischen Gebäude (Ziffer E 1.2) führt gegenüber dem Ausbau der Photovoltaikanlagen (Ziffer E 1.3) bei denselben Investitionen zu einer doppelt so großen CO2-Einsparung. Die Gebäudesanierung sollte daher Vorrang vor dem Photovoltaikausbau erhalten. Bei den Gebäudesanierungen sollte ebenfalls für jedes Gebäude auf Basis derselben Auswahlkriterien (CO2-Vermeidungskosten, Dringlichkeit, Wirtschaftlichkeit) ein Ranking erstellt werden, um diejenigen Sanierungen zuerst anzugehen, die bei minimalem Aufwand den maximalen Erfolg erzielen.
Die geringsten CO2-Vermeidungskosten (nach Branchenerfahrung 50,- bis 200,- €/t CO2) liegen oft in Energie-Effizienzmaßnahmen und Abwärmenutzung im gewerblichen Bereich (dazu gehören etwa Ziffern A 3.4 bis A 3.6, C 1.1 und C 1.2), in dem mit den eingesetzten Finanzmitteln das 10- bis 30-fache (im Vergleich zu den Maßnahmen der Ziffern E 1.3 und E 1.4) für den Klimaschutz erreicht werden kann.
Die CDU-Fraktion ist sich bewusst, dass die Verwaltung alle Maßnahmen des Klimaschutzkonzeptes als wichtig betrachtet und absichtlich auf eine Priorisierung verzichtet. Die Verwaltung befürchtet, dass „weiche“ Maßnahmen, die für den Gesamtzusammenhang des Konzepts wichtig seien, für die aber keine Kosten-Nutzen-Bewertung möglich sei, durch ein Ranking unberücksichtigt blieben (Vorlage Nr. 2020/0473).
Auf diese Befürchtung reagiert die CDU-Fraktion angesichts des Einbruchs der kommunalen Einnahmen mit Unverständnis. In Anbetracht der finanziell dramatischen Lage der Stadt verbieten sich Investitionen, deren Wirtschaftlichkeit sich nicht bestimmen lässt.
Mit einer Bewertung der Klimaschutzmaßnahmen nach bestimmten Kriterien stünde die Stadt Karlsruhe nicht allein. Die Stadt Mannheim etwa hat aus ihrem Klimaschutzkonzept durch das IFEU Heidelberg Maßnahmen auswählen und priorisieren lassen. Die Auswahl der Maßnahmen erfolgte nach den Kriterien:
- Betriebswirtschaftlichkeit aus Sicht des Investors
- Effizienz bezüglich der spezifischen Anschubkosten
- Beitrag zur CO2-Minderung
- Maßnahmenschärfe
- Priorität aus Sicht des Gutachters
- Umsetzungsgeschwindigkeit
- Akzeptanz bei den Marktteilnehmern
Das vom Fraunhofer Institut für Bauphysik erstellte Energiekonzept der Stadt Stuttgart unter Leitung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn gibt ebenfalls Auswahlkriterien vor:
- Wirksamkeit = CO2-Einsparung
- Umsetzbarkeit
- Finanzierbarkeit = Wirtschaftlichkeit
Die ökonomische und ökologische Bewertung der Maßnahmen des Karlsruher Klimaschutzkonzeptes muss „die Spreu vom Weizen“ trennen. Nur so kann mit den verfügbaren finanziellen Mitteln ein Maximum an Klimaschutz erreicht werden. Die Stadt darf bei der Verteilung ihrer Finanzmittel nicht nach dem „Gießkannen-Prinzip“ vorgehen. Ökologie und Ökonomie müssen nach bestem Wissen miteinander vereint werden.
Unterzeichnet von:
Stadtrat Tilman Pfannkuch
Stadträtin Dr. Rahsan Dogan
Stadtrat Thorsten Ehlgötz
Stadtrat Detlef Hofmann
Stadtrat Sven Maier
Stadträtin Bettina Meier-Augenstein
Stadtrat Dirk Müller
Stadtrat Dr. Thomas Müller
Stadträtin Karin Wiedemann