GRÜNE Veranstaltung zur Gemeinschaftsschule am 4. April: Einhelliger Wunsch nach einer gymnasialen Oberstufe an einer Karlsruher Gemeinschaftsschule

Im Mittelpunkte der Gemeinschaftsschule-Veranstaltung der Grünen Gemeinderatsfraktion am 4. April 2017 stand das Thema „Wie geht es weiter in der Oberstufe?“ „Nach einem Vorort-Besuch an den vier Karlsruher Gemeinschaftsschulen Anfang dieses Jahres zeigte sich, dass das Thema ‚gymnasiale Oberstufe’ den Schulleitungen und Eltern unter den Nägeln brennt“, so Stadträtin Renate Rastätter, schulpolitische Sprecherin. „Deshalb drängt die Zeit, um zu klären, ob und wann in Karlsruhe eine gymnasiale Oberstufe an einer der vier Karlsruher Gemeinschaftsschulen eingerichtet wird“.

Ende des Schuljahres werden die ersten SchülerInnen der Augustenburg-Gemeinschaftsschule, die zu den 41 Starterschulen im Land gehört, die Schule nach der 10. Klasse beenden. Bereits am Schuljahresende 2018/19, wenn die Abschlussklassen der Drais-Gemeinschaftsschule dazu kommen, wird voraussichtlich die Zahl von 60 SchülerInnen mit gymnasialem Niveau erreicht werden, die für die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe erforderlich ist.

Als Referenten hatten die Grünen Dr. Joachim Friedrichsdorf, den ehemaligen Schulleiter der Tübinger Sophie-Scholl-Gemeinschaftsschule und Vorstandsmitglied des Vereins der Gemeinschaftsschulen, eingeladen. Er ist der Initiator der Gemeinschaftsschulentwicklung in Tübingen und hat die Einführung einer gymnasialen Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule strukturell und inhaltlich vorangebracht. Seit dem 3. April 2017 liegt die Zustimmung des Gemeinderats vor. Oberbürgermeister Boris Palmer wird jetzt die Einführung der gymnasialen Oberstufe beim Land beantragen. Die sechszügige Gebhard-Gemeinschaftsschule in Konstanz hat ebenfalls eine gymnasiale Oberstufe beantragt. Damit werden die ersten gymnasialen Oberstufen an Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg voraussichtlich in Tübingen und in Konstanz eingeführt.

Zunächst stellten Micha Pallesche, Schulleiter der Ernst-Reuter-Gemeinschaftsschule und sein Stellvertreter das pädagogische Konzept ihrer Schule vor. Im Anschluss erläuterte Dr. Friedrichsdorf die Gründe, weshalb eine gymnasiale Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule unverzichtbar sei. Die neue Schulart sei als ergänzendes Schulangebot in Baden-Württemberg einführt worden und soll den Weg zum Abitur in neun Jahren ermöglichen. Er zeigte die inneren und äußeren Erfolgsbedingungen auf, die für die Positionierung der Gemeinschaftsschule als ergänzende Schulart in der Gesellschaft wichtig sind.

Dazu gehören:

  • Eine repräsentative Zusammensetzung der SchülerInnen mit unterschiedlicher Bildungsempfehlung. Sonst entsteht ein kritisches Lernmilieu mit schwindender Akzeptanz für diese Schulart. Das kann nur erreicht werden, wenn die Schule attraktive Perspektiven für Eltern von Kindern mit gymnasialer Empfehlung bis zum Abitur bietet.
  • Bildungsgänge müssen schlüssig sein. Die Lernkultur der Gemeinschaftsschule, die sehr stark auf Selbstständigkeit und Eigenverantwortung bei hohen individuellen Leistungsanforderungen setzt, muss auch in der Oberstufe fortgesetzt werden können.
  • Nur wenn Gymnasiallehrkräfte der Gemeinschaftsschule auch an der Oberstufe unterrichten können, ist die Gemeinschaftsschule für sie eine berufliche Perspektive.
  • Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit den Eltern gegenüber: Man hat ihnen de facto versprochen, dass ihre Kinder mit gymnasialem Lernniveau bis zum Abitur die Gemeinschaftsschule besuchen können. Dazu braucht es mindestens eine gymnasiale Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule in zumutbarer Entfernung.
  • Eine gesellschaftliche Akzeptanz wird dann erreicht, wenn die Eltern zweifelsfrei feststellen können, dass ihr Kind alle Abschlussoptionen ohne Hürden hat.
  • Die gymnasiale Oberstufe an der Gemeinschaftsschule hat ein spezifisches pädagogisches Konzept, das sich von den Oberstufen an den allgemein bildenden Gymnasien und den Beruflichen Gymnasien unterscheidet.

Großes Interesse fand die Beschreibung der Vorgehensweise zur Konsensfindung bei allen Betroffenen und der Politik in Tübingen. Herr Friedrichsdorf schilderte das umfassende Beteiligungsverfahren, bei dem auch die VertreterInnnen der Gymnasien und Beruflichen Schulen einbezogen waren. Sehr förderlich war eine wissenschaftliche Erhebung über die Auswirkungen der gymnasialen Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule (Prof. Dr. Bohl, Universität Tübingen). Dabei wurde festgestellt, dass eine dreizügige Oberstufe an einer der drei Gemeinschaftsschulen kaum nachteilige Auswirkungen auf die Anmeldezahlen der Beruflichen und allgemein bildenden Gymnasien haben würde.

Schließlich wurde die aktuelle Situation in Karlsruhe debattiert. Die anwesenden SchulleiterInnen der Karlsruher Gemeinschaftsschulen wünschten Unterstützung für eine gymnasiale Oberstufe durch den Gemeinderat und die Stadt. Auch die Elternbeiratsvorsitzende der Stadt Karlsruhe, Veronika Pepper, argumentierte überzeugend dafür. Schulamtsleiterin Elisabeth Groß betonte die Lernfreude der SchülerInnen und die hohe Zufriedenheit der Eltern an den Gemeinschaftsschulen.

„Allerdings unterscheidet sich die Ausgangslage in Karlsruhe sehr stark von Tübingen. In Tübingen gibt es längst schon das zwei-Säulen Modell von Gymnasium und Gemeinschaftsschule – ohne andere Schularten. In Karlsruhe haben wir neben den vier Gemeinschaftsschulen noch acht Realschulen und vier Werkrealschulen“, so Rastätter. Deshalb sei es wichtig, zunächst einmal die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule zu klären.

Die Grünen werden sich nun zunächst mit den anderen Gemeinderatsfraktionen verständigen. „Wir hoffen, dass die überzeugenden Argumente für die Einführung einer gymnasialen Oberstufe an einer unserer vier Gemeinschaftsschulen bei den KollegInnen im Gemeinderat auf offene Ohren und Akzeptanz stoßen“, betonten auch die anwesenden Grünen StadträtInnen Dr. Ute Leidig, Fraktionsvorsitzende und Stadtrat Ekkehard Hodapp, Mitglied des Schulbeirats sowie MdL Alexander Salomon, der gemeinsam mit Stadträtin Rastätter im Vorfeld die Karlsruher Gemeinschaftsschulen besucht hatte. Auch der Städtetag habe in einer aktuellen Stellungnahme betont, dass in dieser Legislaturperiode des Landtags wahrscheinlich nur in Tübingen, Konstanz und Karlsruhe die erforderlichen Voraussetzungen für die Einführung einer gymnasialen Oberstufe erfüllt sein würden. Karlsruhe käme deshalb eine wichtige Vorreiterrolle für die weitere Entwicklung im Land zu.

Beschlussfassung im Tübinger Gemeinderat: http://www.tuebingen.de/gemeinderat/to0040.php?__ksinr=2507

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