Rede der Stadträtin Leonie Wolf in der Gemeinderatssitzung vom 25.04.23 zu TOP 11

Sehr geehrter Herr Oberbügermeister, liebe Kolleg*innen,

nach knapp fünf Jahren Mathestudium habe ich noethersche Ringe kennengelernt. Ringe sind sehr allgemeine mathematische Strukturen. Noethersche Ringe sind etwas spezieller und haben ein paar besondere Eigenschaften, aber eigentlich ist das gar nicht wichtig. Wichtig ist:

Ich musste mich durch fast fünf Jahre Mathematik-Studium kämpfen, bis zum ersten Mal etwas aufgetaucht ist, das nach einer Frau benannt wurde – nach der Mathematikerin Emmy Noether.

Mir ist das erst, als ich dann aus dem Hörsaal raus bin, so richtig bewusst geworden, was mich da gerade so beschäftigt und aufwühlt: So viele Dinge in der Mathematik sind nach den Menschen benannt, die sie definiert oder bewiesen haben. Und das sind eben fast immer Männer. Das ist ja auch klar, die ganze Mathematik, die wir da im Grundstudium lernen ist ja entstanden, als Frauen entweder nicht forschen durften oder dabei übersehen und ihre Erkenntnisse wieder Männern zugeschrieben wurden.

Ich bin also ziemlich bewegt von der Uni nach Hause gefahren und dann habe ich – Kein Scherz! – zum ersten Mal dieses Straßen-Schild wahrgenommen: Emmy-Noether-Straße

Und mich hat’s fast von Fahrrad gehauen.

Das hat alles nochmal viel realer gemacht, dass es diese Mathematikerin nicht nur im Hörsaal gibt, dass sie nicht nur in meiner Vorlesung auftaucht, sondern auch in der echten Welt, dass sie da Raum einnimmt und gesehen wird. Das war ein krasser emotionaler Moment.

Die Mathematik ist, genauso wie unsere Stadt, zum Großteil in einer männerdominierten Welt entstanden. Und mir ist in diesem Moment auch wieder bewusst geworden, dass wir diese historische Übermacht nie werden ausgleichen können.

Wir werden die Sätze und Definitionen in der Mathematik ja genauso wenig umbenennen, wie die ganzen Straßen in Karlsruhe, die nach historischen Persönlichkeiten benannt sind. Umso wichtiger ist es heute in der Gegenwart die Frauen, die es trotzdem geschafft haben, sichtbarer zu machen und ihnen mehr Raum zu geben. Straße für Straße.

Ich freue mich total – wir freuen uns über diese Benennungen! Nach der Physikerin Hertha Sponer und nach der Mathematikerin und Elektrotechnikerin Cäcilie Fröhlich. Emmy Noether bekommt sehr gute Gesellschaft am Technologiepark.

Vielleicht hauen die ja irgendwann jemand anderen (fast) vom Fahrrad…