Interfraktioneller Antrag von SPD, GRÜNE und KULT sowie DIE LINKE im Gemeinderat: Stellungnahme des Gemeinderates der Stadt Karlsruhe zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sowie zu CETA und TiSA

Antrag

Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe spricht sich grundsätzlich für gute internationale Beziehungen aus. Dies beinhaltet auch einen guten, fairen wirtschaftlichen Austausch. Eine Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika wird begrüßt. Allerdings birgt die derzeit verhandelte Handelspartnerschaft TTIP Risiken für die öffentliche Daseinvorsorge, insbesondere im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.

Deshalb fordert der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe, dass die kommunale Daseinsvorsorge durch das Freihandelsabkommen TTIP sowie Abkommen wie CETA und TiSA nicht gefährdet werden darf. Mit Blick auf die TiSA- und auf andere Freihandelsverhandlungen besteht die übereinstimmende Auffassung, dass auch durch diese Abkommen keine weitergehenden Marktöffnungsverpflichtungen für den Bereich der Daseinsvorsorge vorgenommen werden dürfen. Das CETA-Abkommen sollte erst ratifiziert werden, wenn sichergestellt ist, dass das Abkommen nicht zu Marktöffnungsverpflichtungen führt.

Die Stadt Karlsruhe betätigt sich wirtschaftlich, etwa durch eigene Unternehmen und Einrichtungen, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Es ist im Rahmen der Daseinsvorsorge Aufgabe der Kommunen, für ihre Bürgerinnen und Bürger effizient und kostengünstig ein diskriminierungsfreies, verlässliches und flächendeckendes Angebot notwendiger Dienstleistungen in hoher Qualität zu gewährleisten.

Deshalb schließt sich der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe der gemeinsamen Positionierung des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie des Verbands der kommunalen Arbeitgeber zur transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft an und fordert, auch für weitere Handelsabkommen wie CETA und TiSA:

  1. Das europäische und nationale Recht gewährleistet einen weiten Handlungsspielraum der Kommunen bei der Organisation der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Freihandelsabkommen dürfen diesen Handlungsspielraum der Kommunen nicht einengen. Deshalb muss jedenfalls für Deutschland der gleiche Vorbehalt gegen Marktöffnungsverpflichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge aufgenommen werden, der auch im WTO-Dienstleistungsabkommen von 1995 (GATS) enthalten ist. Für Marktzugangsverpflichtungen im Dienstleistungssektor wird die Verwendung einer Positivliste bevorzugt, weil damit sichergestellt werden kann, dass für den Bereich der Daseinsvorsorge keine neuen Marktöffnungsverpflichtungen übernommen werden und der Handlungsspielraum der Kommunen erhalten bleibt. Die Verwendung einer Negativliste ist abzulehnen, denn damit bestünde die Gefahr, dass auf EU-Ebene für alle Staaten definiert würde, was Daseinsvorsorge umfassen soll. Dies lehnen die kommunalen Spitzenverbände in Übereinstimmung mit dem Verband kommunaler Unternehmen ab, da davon auszugehen ist, dass die Daseinsvorsorge in Deutschland und deren weite Interpretation und Ausgestaltung durch die öffentliche Hand auf Grund der Situation in den anderen EU-Mitgliedsländern in Frage gestellt werden dürfte.
  2. Für öffentliche Auftraggeber in Deutschland dürfen durch TTIP keine Verpflichtungen übernommen werden, die über die Bestimmungen des reformierten europäischen Vergaberechts hinausgehen. Die in den neuen EU-Vergaberichtlinien verankerten Möglichkeiten für Inhouse-Vergaben und die interkommunale Zusammenarbeit sowie insbesondere auch die Bereichsausnahmen für Rettungsdienste, die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung oder -behandlung dürfen durch TTIP nicht in Frage gestellt werden. Beispielhaft darüber hinaus müssen die Bereiche Abfallentsorgung und ÖPNV, soziale Dienstleistungen und Gesundheitsvorsorge sowie alle Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge im Bereich der Kultur explizit ausgeschlossen werden.
  3. Die in TTIP bisher vorgesehenen speziellen Investitionsschutzregelungen mit ad hoc- besetzten Schiedsgerichten werden abgelehnt. Sofern solche Regelungen auf Wunsch der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten in TTIP Eingang finden, müssen sie nach rechtstaatlichen Grundsätzen ausgestaltet sein und insbesondere gewährleisten, dass die Verfahren auch für die Zivilgesellschaft transparent durchgeführt werden, die Unabhängigkeit und hinreichende Qualifikation der SchiedsrichterInnen sichergestellt ist, sowie eine Berufungsmöglichkeit vorgesehen und die Schaffung eines Schiedsgerichtshofs angestrebt wird. Es muss sichergestellt werden, dass nicht-diskriminierende Maßnahmen der Gesetzgebung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen keine Schadensersatzansprüche für InvestorInnen begründen können. Ein einklagbares Recht auf einen Marktzugang darf es nicht geben.
  4. Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz dürfen durch TTIP nicht abgesenkt werden. Vielmehr soll ein hohes Umwelt- und Verbraucherschutzniveau im Einklang mit dem Besitzstand der EU und den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten gefördert werden. Bei unterschiedlichen Schutzniveaus dürfen Schutzstandards nicht herabgesetzt werden mit dem Ziel eines Abbaus von Handelshemmnissen.

Unterzeichnet von:
Parsa Marvi (SPD) und Fraktion

Bettina Lisbach (GRÜNE) und Fraktion

Lüppo Cramer (KULT) und Fraktion

Niko Fostiropoulos (DIE LINKE)

Stellungnahme der Stadtverwaltung für die Gemeinderatssitzung am 24.11.2015

Protokoll aus der Gemeinderatssitzung am 24.11.2015

Aus der Gemeinderatssitzung am 24.11.2015:

Wir konnten eine große Mehrheit im Gemeinderat finden. Der Beschluss beruht auf einem Minimalkonsens. Er ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem aber weitere folgen müssen. Die GRÜNE Position dazu haben wir kürzlich hier zusammengefasst.

 

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