Sanktionen gegen Leistungsberechtigte nach SGB II (Hartz IV) unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit aussprechen

Antrag

Anlässlich der Überprüfung von Sanktionen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert der Gemeinderat das Jobcenter Stadt Karlsruhe auf:

  1. Künftige Sanktionsbescheide werden mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen, so dass deren Empfänger*innen gegen Leistungskürzungen bis zur Entscheidung des BVerfG nicht mehr einzeln Widerspruch erheben müssen.

Sachverhalt/Begründung

Sanktionen gegen Leistungsberechtigte nach SGB II mit Kürzungen bis 100 Prozent sind nach Überzeugung des Sozialgerichts Gotha verfassungswidrig: „Das Sozialstaatsprinzip verpflichte den Staat zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Bei einer Kürzung der Regelleistungen und erst recht bei einer kompletten Streichung sei das soziokulturelle Existenzminimum der Arbeitslosen nicht mehr gewährleistet.“ Durch unzureichende Mittel für die Ernährung sei auch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der betroffenen Arbeitslosen bedroht, so das Sozialgericht Gotha weiter.

Das Sozialgericht Gotha legte dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Klage zur Prüfung vor (Az.: S 15 AS5157/14). In der mündlichen Verhandlung zu den Sanktionen im SGB II vor dem BVerfG im Januar 2019 (Az.:1 BvL 7/16) wurde bereits scharfe Kritik an der bestehenden Sanktionspraxis geäußert.

Daher beantragen wir, dass das Jobcenter Stadt Karlsruhe künftige Sanktionsbescheide bis zur Entscheidung des BVerfG mit einem Vorläufigkeitsvermerk versieht. Nur so könnten Betroffene von einer positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch im Nachhinein profitieren.

Laut der Hartz-IV-Sanktionsstatistik für das Jahr 2018 waren in Karlsruhe im Jahresdurchschnitt über 550 erwerbstätige Empfänger*innen von Hartz-IV-Leistungen von Kürzungen betroffen. Darunter waren sogar rund 160 Familien mit Kindern, davon ca. 35 Familien mit mindestens einem Kind unter drei Jahren. Knapp 50 Personen wurden sogar voll sanktioniert.

Man kann davon ausgehen, dass einige der sanktionierten Personen an psychischen Erkrankungen leiden bzw. alkohol- oder drogenabängig sind. Bei diesen Menschen besteht die Gefahr, dass sie sich noch stärker zurückziehen, wenn sie sanktioniert werden und eher weniger offen dafür sind, Hilfe anzunehmen.

Unterzeichnet von:

Michael Borner                  Verena Anlauf                       Joschua Konrad                                Zoe Mayer

Der Antrag wurde unter TOP 10 der Gemeinderatssitzung vom 25. Juni 2019 behandelt.
Stellungnahme der Stadtverwaltung und Protokoll

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