Präventive Hausbesuche bei 75jährigen

Anfrage:

  1. Wie bewertet die Stadt Karlsruhe die Bedeutung präventiver Hausbesuche für die präventive Versorgung von Senior*innen angesichts des Pfleger*innenmangels?
  2. Welche Ressourcen würden benötigt werden,
    • wenn alle 75jährigen aufgesucht werden?
    • wenn nur diejenigen aufgesucht werden, die auf das briefliche Gesprächsangebot reagiert haben (ca. 30 %)?

Sachverhalt/Begründung

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass in der Altenpflege mit den geburtenstarken Jahrgängen ein schwerwiegender Engpass auch in Karlsruhe auf uns zukommt. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Die Hauptursache dürfte aber inzwischen der Pflegekräftemangel sein, der schon heute auch in Karlsruhe dazu führt, dass Betten geschlossen werden müssen und Kund*innen keinen Pflegedienst mit freien Plätzen finden.

Es ist realistisch gesehen – selbst bei deutlich erhöhten Anstrengungen – nicht davon auszugehen, dass diese Lücke geschlossen und eine deutliche Unterversorgung verhindert werden kann.

Umso wichtiger ist die Suche nach Alternativen. Dabei ist die Verschiebung der Pflegebedürftigkeit durch Prävention ein nicht zu unterschätzendes Kettenglied. Durch Nutzung von Unterstützungsmöglichkeiten, Vorsorge im Bereich Wohnen, Hauswirtschaft, ambulanter Pflege usw., durch soziale Einbindung und Kenntnisse über Gesundheitsvorsorge kann die Pflegedauer deutlich verkürzt und hinausgeschoben werden.

Allerdings zeigt die Studie der Bertelsmann-Stiftung (1), dass viele Elemente des deutschen Gesundheitssystems nicht genutzt werden, weil sie für größere Bevölkerungsgruppen schwer verständlich sind. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung hat eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz, 66 % der Menschen in höherem Alter. Dies könnte durch aufsuchende Beratung und Erläuterung verändert werden.

In mehreren Städten, wie z.B. Köln und Hamburg wird deshalb das Modell der „Präventiven Hausbesuche“ genutzt, um Senior*innen ab 75 oder 80 (oder rund um den 75. oder 85. Geburtstag) kostenlos zu beraten und dann passgenaue Hilfe zu vermitteln zu den Themen:

  1. Wohnsituation
  2. Gesunderhaltung
  3. soziale Einbindung
  4. Mobilität
  5. finanzielle Fragen
  6. Fragen zur Pflege
  7. Hilfen im Haushalt

In Karlsruhe dürften nach unseren Berechnungen im Jahr 2020 ca. 2.200 75jährige Menschen leben. Geht man von einer Quote von 30 % aus (so die Erfahrung in Köln), die auf das Angebot reagieren, würden ca. 700 Hausbesuche pro Jahr stattfinden.

Würden alle Menschen, z.B. zum 75. Geburtstag, aufgesucht werden, wäre der Aufwand größer. Allerdings könnten auch Menschen mit stark eingeschränkter Gesundheitskompetenz erreicht werden.

Die Beratungsgespräche sind ein Angebot und damit freiwillig. Durch die Besuche soll Vertrauen in die Unterstützungsangebote aufgebaut und Senior*innen aktiviert werden, ihre jetzige und zukünftige Situation selbstbestimmt zu planen.

Unterzeichnet von:
Verena Anlauf         Aljoscha Löffler            Michael Borner               Benjamin Bauer

(1) Schaeffer, D./Vogt,D./Berens, E.M./Hurrelmann, K. „Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland – Ergebnisbericht, Bielefeld“, Universität Bielefeld, 2016

Die Anfrage wurde unter TOP 37 der Gemeinderatssitzung vom 22. Oktober 2019 behandelt: https://sitzungskalender.karlsruhe.de/db/ratsinformation/termin-5404

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