Strategie: „Menschenwürdiges Wohnen fördern“: Umgang mit sogenannten „Problemimmobilien“ systematisieren

Interfraktioneller Antrag – zur Beratung im Gemeinderat

Unter „Problemimmobilien“ werden verwahrloste, nicht oder nicht angemessen genutzte, nicht ausreichend oder fehlerhaft bewirtschaftete oder zu ausbeuterischen Konditionen vermietete Gebäude verstanden. Von ausbeuterischen Zwecken muss z.B. bei überteuerten Mieten, verschimmelten Wohnungen oder sogenannten “Bettenburgen”, bei denen die Brandgefahr besonders hoch ist, gesprochen werden. Solche Unterkünfte sind auch in Karlsruhe zu finden, wie aktuelle Beispiele in Mühlburg oder in der Südstadt zeigen.
Hintergrund dieser Missstände ist oft, dass deren Eigentümer*innen hohe Gewinne erzielen möchten; vereinzelt auch, dass sie mit der Verwaltung der Immobilien überfordert sind.

Vorrangiges Ziel aller Maßnahmen soll es sein, die Wohnbedingungen für die jeweils betroffenen Menschen zu verbessern und Mietkosten für die Wohnungen auf ein vertretbares Maß zu senken.

  1. Die Stadtverwaltung und das Jobcenter Stadt Karlsruhe streben eine Kooperationsvereinbarung mit dem Mieterverein Karlsruhe e.V. an und erarbeiten eine Strategie zum Umgang mit Mietpreisüberhöhungen oder Wuchermieten und zur Unterstützung und Beratung der Mieter*innen bei Mietminderungsverfahren.
  2. Die Sozial- und Jugendbehörde prüft eine Begleitung dieses Projektes.
  3. Die Stadtverwaltung prüft ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten beim Umgang mit den Besitzer*innen der entsprechenden Immobilien in Karlsruhe:
  4. Erstellung einer Liste von „Problemimmobilien“ mit Vor-Ort-Begehungen
  5. Anwendung der kommunalen Ermessensentscheidungen gegen konkrete bau-, feuer-, polizei- und abfallrechtliche Gefahren
  6. Abgleich der Meldedaten mit den sich vor Ort aufhaltenden Personen
  7. Abgleich der genutzten Müllbehälter mit der Anzahl der gemeldeten bzw. angetroffenen Bewohnerschaft.    
  8. Die Stadtverwaltung unterbreitet den Eigentümer*innen der „Problemimmobilien“ konkrete Unterstützungsangebote zur Beseitigung der Mängel.
  9. Zu den vorgenannten Antragspunkten richtet die Stadtverwaltung einen Runden Tisch ein, mit allen beteiligten Ämtern und dem Jobcenter Stadt Karlsruhe und interessierten Vertreter*innen der Fraktionen.
  10. Die Strategie „Menschenwürdiges Wohnen fördern“ wird im Sozial- und Hauptausschuss sowie im Migrationsbeirat vorgestellt und beraten.  

Begründung/Sachverhalt:

Es besteht ein starkes kommunales Interesse – sowohl in sozialer wie in stadtplanerischer Hinsicht – problematische Liegenschaften entweder in eine nachhaltige Nutzung zu überführen oder – wenn dies nicht (mehr) möglich ist –  zu beseitigen und ggf. zu ersetzen. Dies kann je nach gegebenem Kontext zu unterschiedlichen Schwerpunkten bei der Wahl und Anwendung der einzusetzenden Instrumente führen. Daher ist jede einzelne Problemimmobilie als Einzelfall zu betrachten und zu analysieren. Führt beispielsweise die Beschaffenheit einer Immobilie durch Verwahrlosung, Verfall, bauliche Mängel oder Aspekte des Brandschutzes zu einer Gefährdung von Personen, besteht im Sinne der Gefahrenabwehr Handlungsbedarf. Die Stadt Mannheim verfolgt beispielsweise seit einigen Jahren die Strategie, einzelne Problemimmobilien aufzukaufen und diese in Konzepte der Quartiers-Stabilisierung einzubinden.

Der antragstellenden Fraktionen liegen für Karlsruhe konkrete Informationen über folgende Mietverhältnisse vor (nur kleine Auswahl!):
Fall1: Mutter mit erwachsenem Sohn; 20 m² (Zimmer mit Bad; Kochgelegenheit im Zimmer); Miete 600 € zzgl. Stromkosten; Miete wird vom Jobcenter Karlsruhe überwiesen/ Innenstadt-Ost
Fall 2: Mutter mit erwachsener Tochter und minderjähriger Tochter; 20 m² (Zimmer mit Bad; Kochgelegenheit im Zimmer); 600 € Miete zzgl. Stromkosten, Miete wird vom Jobcenter Karlsruhe überwiesen/ Innenstadt-Ost
Fall 3: Mutter mit Tochter; 25 m² (Zimmer mit Küche); Grundmiete 550 € plus 50 € NK plus 96 € Strom/ Südstadt
Fall 4: Mann, Kellerwohnung; häufiger Wassereinbruch bei Regen; 450 € Miete plus NK/ Nordweststadt.

Die antragsstellenden Fraktionen schlagen vor, dass Bewohner*innen solcher Immobilien das Angebot erhalten, über das Jobcenter Stadt Karlsruhe eine für sie kostenfreie juristische Beratung zu erhalten. Dies könnte für die Kund*innen des Jobcenters in Zusammenarbeit mit dem Mieterverein Karlsruhe e. v. oder mittels einer Kooperationsvereinbarung des Grundsicherungsträger mit einer Rechtsanwaltskanzlei, das mit der Durchsetzung der mietrechtlichen Ansprüche beauftragt wird geschehen. Grundlage hierfür sind die in SGB II festgeschriebenen Auskunfts- und Beratungspflichten.

Der Jahresbeitrag in Höhe von derzeit 79 Euro für den Mieterverein Karlsruhe e. V. könnten im Rahmen der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung vom Jobcenter übernommen werden. Von Seiten der Mietervereine kann dann eine umfassende Beratung und ggf. Vertretung (auch in gerichtlichen Verfahren) der Betroffenen vorgenommen werden.
Mietrechtliche Ansprüche können auch an das Jobcenter abgetreten werden. Das Jobcenter verfolgt die Durchsetzung anstelle der Leistungsberechtigten im eigenen Namen. Der Grundsicherungsträger wird dann selbst Anspruchsinhaber.

Unterzeichnet von:

Michael Borner, Aljoscha Löffler, Verena Anlauf, Christine Weber, GRÜNE Fraktion

Lüppo Cramer und KAL/Die PARTEI Fraktion

Mathilde Göttel und Lukas Bimmerle, Fraktion Die LINKE

Gemeinderatssitzung 22.12.2020: Verwiesen in Fachausschuss.

Stellungnahme der Stadtverwaltung und Protokoll

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